18. November 2025 | Aktuelles | Allgemein | Publikationen

Über Aufstieg und Abstieg von Regionen entscheiden letztlich die Frauen

Interview mit Matthias Loehr, Geschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes Südbrandenburg 

Seit Beginn des Projekts ist Matthias Loehr, Geschäftsführer des DGB Südbrandenburg, Mitglied im Beirat vom Projekt STAFF*Lausitz. Der DGB ist Dachverband von acht Mitgliedsgewerkschaften und vertritt damit die Interessen einer großen Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. 
„Wir sind direkt gefragt worden, ob wir uns beteiligen möchten. Wenn ich es zeitlich einrichten kann, nutze ich solche Angebote gern, um unsere Sichtweisen einzubringen“, sagt Matthias Loehr. Besonders überzeugt hat ihn das erste Papier des Projekts: „Eine ehrliche, ungeschönte Analyse der Ausgangslage. Spannend fand ich außerdem die beiden Leitgedanken. Gleichstellung als Erfolgsfaktor in der Unternehmensstrategie und den länderübergreifenden Ansatz. Gerade hier in der Lausitz halte ich das für entscheidend.“ 

Länderübergreifend denken 

Der Punkt, den Matthias Loehr besonders hervorhebt: „In Schwarze Pumpe verläuft die Landesgrenze mitten durch den Industriepark. Trotzdem gelingt es nicht, den Strukturwandel gemeinsam zu kommunizieren.“ Für ihn ist das eine der größten Schwachstellen. Daher ist jedes Projekt, das diese Grenzen überwindet, ein Gewinn, so wie Staff*Lausitz.  

Arbeit im Expertenbeirat von Staff*Lausitz 

Der Beirat ist für ihn ein Arbeitsgremium, in dem Informationen geteilt und Fragen gestellt werden können. „Ich finde den Austausch offen und konstruktiv.“ Besonders beeindruckt hat ihn die Vielfalt der beteiligten Unternehmen. Von großen Playern bis zu kleinen Betrieben. Auch konkrete Beispiele wie die Begleitung und Unterstützung vom Projektteam zur 4-Tage-Woche in einem Architekturbüro waren für ihn spannend: „Das hat gezeigt, dass solche Modelle nicht überall passen, aber für manche Beschäftigte sehr gut funktionieren können.“ 

Chancen, Herausforderungen und die Rolle der Frau 

Matthias Loehr sieht Gleichstellung als Schlüsselfrage für die Zukunftsfähigkeit der Region. „Über Aufstieg und Abstieg von Regionen entscheiden letztlich die Frauen. Wenn Frauen keine Perspektiven haben, wandern sie ab.  Diese Erkenntnis ist nicht neu, hat sich aber in der Breite noch nicht durchgesetzt. Staff*Lausitz setzt hier genau richtig an.“ Gleichzeitig betont er: „Die größte Schwierigkeit besteht darin, eine Breitenwirkung zu erzielen.“ Deshalb ist es wichtig, Ergebnisse auch über Multiplikatoren wie Handwerkskammern oder Verbände stärker in die Fläche zu tragen. 

Stimmung im Wandel 

Aus Befragungen, die der DGB auf Messen durchführt, zieht er ein gemischtes Bild. „Die Stimmung ist eher schlechter als besser geworden.“ Zwar ist die Lage nicht überall so dramatisch, wie sie wahrgenommen werde, doch der Verlust von Industriearbeitsplätzen, etwa in der Glasindustrie, hat reale Folgen für Beschäftigte und Familien. Politische Unsicherheiten verstärken die Skepsis zusätzlich. 

Rolle der Gewerkschaften 

Gewerkschaften haben es in Ostdeutschland traditionell schwerer, weil es viele kleine Betriebe und nur wenige große Unternehmen gibt. Dennoch betont Matthias Loehr ihre Bedeutung: „Mitbestimmung und Tarifbindung steigern nicht nur die Zufriedenheit und Bindung der Beschäftigten, sondern auch die Produktivität.“ Sie sind außerdem ein wichtiger Beitrag zur Demokratie. 

Mitbestimmung in kleinen Betrieben 

Gerade in kleinen Unternehmen ist es wichtig, erste Schritte über Mitarbeitervertretungen oder Betriebsräte zu gehen. „Man kann auch schrittweise beginnen, etwa mit Haustarifverträgen oder Vereinbarungen zu Arbeitszeit und Sonderleistungen.“ Entscheidend ist die Haltung der Geschäftsführung: Offenheit gegenüber Ideen und die Bereitschaft, gemeinsam Lösungen zu finden. Studien belegten klar, dass Unternehmen mit Mitbestimmung produktiver arbeiten. 

Besondere Lage in Ostdeutschland 

Matthias Loehr macht keinen Hehl daraus, dass die Unternehmensstruktur eine besondere Herausforderung darstellt: Viele kleine Betriebe, wenige große Player, der klassische Mittelstand fehle. „Ein Beispiel sind Autohäuser: Trotz hoher Stundensätze zahlt keines in Südbrandenburg nach Tarifvertrag. Manche Beschäftigte wechseln sogar in freie Werkstätten, weil sie dort besser bezahlt werden.“ Der Fachkräftemangel zwinge die Unternehmer langsam zum Umdenken, ein Prozess, der noch Zeit braucht.“ 

Das Gespräch mit Matthias Loehr macht deutlich: Zukunftsfähigkeit entsteht dort, wo Gleichstellung, Demokratie am Arbeitsplatz und regionale Zusammenarbeit ernst genommen werden. STAFF*Lausitz versteht sich dabei als Impulsgeber und zeigt, dass Wandel nur gemeinsam gelingt. 



Über das Projekt STAFF*Lausitz  
STAFF*Lausitz Steigerung der Arbeitgeberattraktivität – Gleichstellung als ein Erfolgsfaktor der Unternehmensstrategie zeigt: Gleichstellung ist kein Nice-to-Have, sondern ein echter Erfolgsfaktor für die Unternehmensstrategie. In Zeiten von Strukturwandel, Fachkräftemangel und Digitalisierung unterstützt das Projekt kleine und mittlere Unternehmen in der Lausitz dabei, ihre Personal- und Organisationsentwicklung diskriminierungsarm, zukunftsorientiert und gleichstellungsbewusst zu gestalten. Im Zentrum stehen Inhouse-Schulungen, Weiterbildungen, Netzwerke und individuelle Begleitung mit bspw. dem Ziel, Frauen zu fördern und Unternehmenskulturen zu schaffen, die für alle Lebensmodelle und Mitarbeitenden attraktiv sind. Des Weiteren werden Themen aus den Bereichen Future Skills, New Work und Digitale Kompetenzen behandelt.

Geht es weiter? Ja! Ein Nachfolgeprojekt ist bereits in Planung, das auf den Erfahrungen von STAFF*Lausitz aufbaut und neue Impulse setzt. So setzt sich der Verein Wertewandel weiter für mehr Gleichstellung, starke Teams und mehr Arbeitgeberattraktivität ein.

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