14. Juli 2025 | Aktuelles | Allgemein

„Die Sache mit der Daimler-Jacke“

Wie ein Lausitzer Unternehmen sich neu erfunden hat

David Hänschen führt in Vetschau/Missen, Calau und Forst ein mittelständisches Beschichtungsunternehmen für Fassaden- und Schienenfahrzeugteile. Was sich in den letzten vier Jahren verändert hat, ging tief. es ging um Haltung und Werte und ein Symbol: die „Daimler-Jacke“. David Hänschen setzt nicht nur auf technische Exzellenz, sondern vor allem auf ein zukunftsgerichtetes Miteinander im Team. Im Interview mit Caro Kahn (Projektmitarbeiterin von STAFF*Lausitz) sprach er über die Herausforderungen der Fachkräftesicherung, die Bedeutung einer klaren Unternehmenshaltung und warum interne Transformation manchmal bei ganz kleinen Dingen beginnt.

„Ich wollte, dass unsere Leute ihre Arbeitsjacke auch nach Feierabend mit Stolz tragen. So wie beispielsweise bei Daimler. Wenn du abends in Stuttgart einkaufen gehst, dann siehst du 5 Menschen mit einer Daimler-Jacke an der Supermarktkasse. Genau das wollte ich auch für MSH Montage- und Spezialbeschichtungen Hänschen erreichen. Das war mein Bild im Kopf.“ Wenn David Hänschen über die Entwicklung seines Unternehmens spricht, geht es selten zuerst um Maschinen oder Materialien. Es geht um Menschen. Und um das, was zwischen ihnen passiert.

Als MSH Surface Solutions ins Projekt STAFF*Lausitz einstieg, war vieles im Umbruch: Der Betrieb war gewachsen, neue Mitarbeitende kamen dazu, doch Strukturen fehlten. „Wir hatten weder Prozesse noch Rollenverständnis. Es herrschte Unsicherheit und oft auch Frust.“

Der Moment der Entscheidung

Die Entscheidung, sich helfen zu lassen, fiel ihm zuerst nicht leicht. „Ich bin eher ein Macher. Aber ich habe gemerkt: Wenn wir nicht anfangen, uns zu sortieren, brechen uns die Leute weg. Wir haben damals gemerkt: Es gibt keine echten Strukturen bei uns – keine Prozesse, keine Systeme, kein gemeinsames Verständnis. Das Projekt hat uns gezwungen, den Blick nach innen zu richten.“

Also holte sich das Unternehmen Unterstützung durch das Projekt STAFF*Lausitz und stellte sich eine zentrale Frage: Wer sind wir eigentlich als Team, als Arbeitgeber, als Unternehmen?

Im Rückblick war das der Anfang von etwas Großem. Denn was folgte, war nicht einfach ein bisschen Teambuilding. Es war eine bewusste, tiefgreifende Veränderung – angefangen bei der Sprache im Betrieb bis hin zur Entwicklung neuer Führungsrollen. Auch das Thema Gleichstellung kam auf den Tisch. Das Ziel war schnell klar: raus aus der klassischen Handwerkskaste, hin zu einem modernen Betrieb, auf den die Mitarbeitenden stolz sind.

Vom Nebeneinander zum Miteinander

Ein zentraler Meilenstein war das erste Teamcamp, organisiert im Projekt. Zwei Tage Auszeit vom Tagesgeschäft, tiefgreifende Gespräche, ehrliche Worte. „Ein paar Kolleg*innen hatten überhaupt keine Lust darauf“, erinnert sich Hänschen. „Aber genau das hat’s gebraucht: raus aus der Komfortzone, rein ins Gespräch.“

Heute ist vieles anders. Die Stimmung im Betrieb hat sich gewandelt. Gespräche laufen ruhiger, respektvoller. Probleme werden angesprochen – und gelöst. Es gibt klare Zuständigkeiten, Chancengleichheit, digitale Tools, ein strukturiertes Onboarding. Mitarbeitende, die früher „einfach nur ihren Auftrag abarbeiten“ wollten, übernehmen heute Verantwortung, machen Meisterabschlüsse, leiten Teams.

Vielfalt statt Einheitsbrei

Auch das Team selbst hat sich verändert. MSH beschäftigt heute Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und mit ganz verschiedenen Lebensläufen – darunter Geflüchtete, Frauen – auch in technischen Berufen, junge Talente und erfahrene Fachkräfte. „Wir haben gelernt, wie wertvoll Unterschiedlichkeit ist und wie wichtig es ist, wirklich miteinander zu reden.“

Diversität und Gleichstellung im Unternehmen bringen unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Ideen zusammen – das fördert Innovation, verbessert die Teamdynamik und macht Unternehmen erfolgreicher und zukunftsfähiger.

In den Schulungen mit STAFF*Lausitz entstanden neue Begriffe – und neue Denkweisen. Wo früher von „Montage“ die Rede war, spricht man heute von Serviceeinsatz. Aus der Betriebsversammlung wurde ein „Teammeeting“ und Frauen und Technik? Natürlich!

Kleine Worte mit großer Wirkung.

Veränderung kostet – aber sie lohnt sich

Natürlich ist dieser Wandel nicht zum Nulltarif zu haben. „Rechne mit 30.000 bis 40.000 Euro im Jahr, wenn du’s ernst meinst“, sagt Hänschen. „Aber die Wirkung ist unbezahlbar: bessere Stimmung, weniger Reibungsverluste, mehr Stolz, mehr Sinnstiftung in der Arbeit.“ (*)

Was heute bei MSH spürbar ist, ist nicht nur ein effizienter Betrieb, sondern eine echte Kultur. Eine, in der Menschen wachsen können – und in der sie gern bleiben.

„Ich sehe Leute, die morgens mit der Firmenjacke zur Arbeit kommen – und sie abends im Supermarkt immer noch tragen. Dann weiß ich: Wir sind auf dem richtigen Weg.“


Über das Projekt STAFF*Lausitz

STAFF*Lausitz Steigerung der Arbeitgeberattraktivität – Gleichstellung als ein Erfolgsfaktor der Unternehmensstrategie zeigt: Gleichstellung ist kein Nice-to-Have, sondern ein echter Erfolgsfaktor für die Unternehmensstrategie. In Zeiten von Strukturwandel, Fachkräftemangel und Digitalisierung unterstützt das Projekt kleine und mittlere Unternehmen in der Lausitz dabei, ihre Personal- und Organisationsentwicklung diskriminierungsarm, zukunftsorientiert und gleichstellungsbewusst zu gestalten. Im Zentrum stehen Inhouse-Schulungen, Weiterbildungen, Netzwerke und individuelle Begleitung mit bspw. dem Ziel, Frauen zu fördern und Unternehmenskulturen zu schaffen, die für alle Lebensmodelle und Mitarbeitenden attraktiv sind. Des Weiteren werden Themen aus den Bereichen Future Skills, New Work und Digitale Kompetenzen behandelt.

Geht es weiter? Ja! Ein Nachfolgeprojekt ist bereits in Planung, das auf den Erfahrungen von STAFF*Lausitz aufbaut und neue Impulse setzt. So setzt sich der Verein Wertewandel weiter für mehr Gleichstellung, starke Teams und mehr Arbeitgeberattraktivität ein.

Sie möchten dabei sein? Dann melden Sie sich bei uns. Mail:

Wir freuen uns auf interessierte Unternehmen, neue Netzwerkpartner*innen und engagierte Führungskräfte.

(*) Das Projekt STAFF*Lausitz wird im Rahmen des Programms „Wandel der Arbeit“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert und ist daher für die Unternehmen kostenfrei. David Hänschen bezieht sich hier auf Kosten bspw. für allgemeine betriebliche Weiterbildungsangebote, Unterkünfte, Versorgung der Mitarbeitenden bei Teamevents und Arbeitsausfällen aufgrund der Teilnahme an Weiterbildungen.